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Eine reine kommerziell getriebene Aufmerksamkeitswerbung verpflichtet zum Schadensersatz. Das beklagte Presseunternehmen hatte auf Facebook drei Fotos von Prominenten mit dem Hinweis veröffentlicht, eine von ihnen sei an Krebs erkrankt und darin auf einen Artikel in ihrem Magazin verlinkt. Daraufhin klagte eine der nicht erkrankten Abgebildeten auf eine angemessene fiktive Lizenzgebühr in Höhe von EUR 20.000,00. Der Bundesgerichtshof entschied, der Verlag habe in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Persönlichkeitsrechts des Klägers eingegriffen. Dabei handele es sich auch nicht um eine privilegierte redaktionelle Berichterstattung, da der Artikel mit dem gesunden Kläger überhaupt nichts tun hatte.

BGH, NJW 2021, 1303 – Clickbaiting –

Die jahrelange Ausschnüffelung von Mitarbeitern durch ein Service-Center des Bekleidungskonzerns H&M (Hennes & Mauritz) Online-Shop A.B. & Co. KG in Nürnberg hat ein Rekordbußgeld nach sich gezogen. Die Firma muss über 35 Millionen Euro bezahlen, da sie jahrelang mehrere Hundert Mitarbeiterinnen durch die Center-Leitung ausgeschnüffelt und die Daten unerlaubt auf einem Netzlaufwerk gespeichert hat. Es handelte sich um einen besonders intensiven Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiterinnen, die auch Anspruch auf Schadensersatz haben sollen. Nach Urlaubs- und Krankheitsabwesenheiten führten sogenannte Teamleader einen „Welcome back talk“ durch. Danach wurden nicht nur die konkreten Urlaubserlebnisse der Mitarbeiter festgehalten, sondern auch Krankheitssymptome und Diagnosen. Manche Vorgesetzten sammelten auch unterschiedlichste Informationen über das Privatleben, von familiären Problemen bis hin zu religiösen und politischen Bekenntnissen. Die digital gespeicherten Informationen waren für bis zu 50 Führungskräfte lesbar. Es wurden detaillierte Profile der Beschäftigten für Maßnahmen und Entscheidungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses genutzt.

Das Setzen von sogenannten „Cookies“ ist ohne vorherige Einwilligung des Nutzers wettbewerbswidrig. Erforderlich ist eine aktive Zustimmung. Es ist unzulässig, voreingestellte Kästchen zu verwenden, aus denen die Zustimmungshäkchen erst entfernt werden müssen. Es liegt nicht nur ein Datenschutz-, sondern auch ein Wettbewerbsverstoß vor.

LG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2020, 31 O 194/20

Die manuelle Bestandsdatenauskunft gem. § 113 TKD (Telekommunikationsgesetz) und mehrere Fachgesetze des Bundes sind verfassungswidrig. Sie verletzen Inhaber von Telefon- und Internetanschlüssen in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses aus Artikel 10 Abs. 1 Grundgesetz.

Mit der manuellen Bestandsdatenauskunft können Sicherheitsbehörden von Telekommunikationsunternehmen Auskunft über den Anschlussinhaber eines Telefonanschlusses oder einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse verlangen. Sodann werden personenbezogene Daten des Kunden, die im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Durchführung dieser Verträge stehen, mitgeteilt („Bestandsdaten“). Daten, die sich auf die Nutzung der Telekommunika-tionsdienste („Verkehrsdaten“) oder den Inhalt der Kommunikationsvorgänge beziehen, werden hingegen nicht mitgeteilt.

Zwar ist die Erteilung einer Auskunft über Bestandsdaten grundsätzlich zulässig. Hierfür müssen aber verhältnismäßige Rechtsgrundlagen geschaffen werden, die die geltenden Gesetze nicht erfüllen. Vielmehr müssen Übermittlungs- und Abrufregelungen mögliche Verwendungszwecke für die Daten hinreichend begrenzen. Erforderlich ist stets eine Abwägung zwischen der drohenden Gefahr und dem Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter.

BVerfG, Beschluss vom 27.05.2020, 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13

– Bestandsdatenauskunft II -.

Ein Betroffener hat keinen individuellen Anspruch gegen die Datenschutzbehörde auf Vornahme einer bestimmten Maßnahme. Zwar kann gemäß Artikel 78 Abs. 2 DSGVO bei Untätigkeit auf eine Beschwerde Klage erhoben werden. Die Verurteilung zu einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme ist jedoch nicht möglich.

Zwar sieht Artikel 78 Abs. 2 DSGVO grundsätzlich ein Klagerecht vor. Im Fall

einer Beschwerde ist der Klagegrund nach Artikel 77 DSGVO jedoch auf Fälle

einer Untätigkeit der Behörde beschränkt. Die Datenschutzbehörde muss sich daraufhin mit der Beschwerde befassen, soweit sie nicht offensichtlich unbegründet

oder exzessiv ist. Eine weitergehende Verpflichtung besteht jedoch nicht.

Sozialgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 08.05.2019, S 49 SF 8/19.

Weil die AOK Baden-Württemberg in den Jahren 2015 bis 2019 bei Gewinnspielen erhobene personenbezogene Daten, wie Kontaktdaten und Krankenkassenzugehörigkeit, unerlaubt zu Werbezwecken genutzt hat, muss sie nunmehr ein Bußgeld von 1,24 Mio. Euro zahlen. Es handelt sich um eine der höchsten bisher in Deutschland verhängten Strafen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) ahndete damit die unerlaubte Verwendung personenbezogener Daten von mehr als 500 Gewinnspielteilnehmern, ohne deren vorheriger Einwilligung zu Werbezwecken.

Die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf der Grundlage des Privacy Shield ist unzulässig und muss unverzüglich eingestellt werden, nachdem der Europäische Gerichtshof das Privacy Shield für ungültig erklärt hatte.

Die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA und andere Drittländer aufgrund sogenannter Standard-Vertragsklauseln der Europäischen Kommission ist zwar grundsätzlich weiter möglich, sie steht jedoch in der Verantwortung des Verantwortlichen und des Empfängers. Fraglich ist insbesondere, ob die Rechte der betroffenen Personen im Drittland (z.B. USA) ein gleichwertiges Schutzniveau wie in der Europäischen Union genießen. Das ist gerade im Fall der USA wegen der nachrichtendienstlichen Befugnisse (z.B. der NSA) mehr als fraglich.

Nach dem EuGH Urteil reichen bei der Datenübermittlung in die USA die Standardvertragsklauseln ohne zusätzliche Maßnahmen nicht mehr aus, insbesondere mit Blick auf Artikel 45 und 46 DSGVO.

Die Übermittlung von personenbezogenen Daten nach Artikel 49 DSGVO ist nur dann zulässig, wenn die Bedingungen im Einzelfall erfüllt sind. Hierzu hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) Leitlinien veröffentlicht, denen sich die DSK (das Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder) angeschlossen hat.

Internetsuchmaschinen wie „Google“ müssen im Zweifel folgende Einträge nicht löschen. Eine Internetseite setzte sich mit Veröffentlichungen eines Bloggers auseinander, der als „neue Betrugsfirma“ apostrophiert wurde und sich angeblich „in Sachen Betrug, Erpressung, Nötigung, Beleidigung und Rufmord“ bestens auskenne, da er zu bestimmten Unternehmen und Kapitalanlagemöglichkeiten regelmäßig Kommentare veröffentlichte.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden ist eine Suchmaschine wie „Google“ aber nicht verpflichtet, derartige Meldungen auf mögliche Rechtsverletzungen hin zu überprüfen, wenn sie nicht auf den ersten Blick als rechtswidrig zu erkennen seien. Vielmehr genieße die Meinungsfreiheit Vorrang. Deshalb greife der Löschungsanspruch aus Artikel 17 Abs. 1 DSGVO nicht, da die Datenverarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationen im Sinne von Artikel 17 Abs. 3a DSGVO erforderliche sei.

OLG Dresden, Beschluss vom 07.01.2019, 4 W 1149/18

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam zuvor auch schon das Oberlandesgericht Frankfurt zu Artikel 17 DSGVO.

OLG Frankfurt, Urteil vom 06.09.2018, 16 U 193/17

Eine Löschungspflicht besteht daher nur, wenn dem Suchmaschinenbetreiber eine bereits auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung aufgezeigt wird.

EuGH, Urteil vom 13.05.2014, C-131/12

Jedes zweite Unternehmen scheitert derzeit an Datenschutz. Das hemmt innovative Projekte. Überwiegend bestehen Unklarheiten bei der Auslegung der DSGVO. Ebenso stellen sich deren konkrete Vorgaben als hinderlich heraus. Fast ein Drittel aller Unternehmen hat wegen der DSGVO geplante Projekte bislang nicht umgesetzt. Nur jedes fünfte Unternehmen hat die Vorgaben vollständig umgesetzt, mehr als zwei Drittel meinen, dies wenigstens teilweise oder sogar größtenteils getan zu haben. Nur 6% haben sich noch nicht ausreichend mit der DSGVO beschäftigt.

Zugleich hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) am 02.09.2020 Leitlinien zur Konzeption des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters veröffentlicht. Eine öffentliche Konsultation läuft bis zum 19.10.2020. Grund ist die bisher unterschiedliche Auslegung der Verantwortlichkeiten aufgrund abweichender Rollen von Verantwortlichen, gemeinsamen Verantwortlichen, Auftragsverarbeitern sowie ihre Beziehungen untereinander.

Facebook verwendet Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung von Nutzerdaten vorsehen, die bei einer von der Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst werden. Das Bundeskartellamt hat Facebook untersagt, solche Daten ohne weitere Einwilligung der privaten Nutzer zu verarbeiten. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass dieses Verbot vom Bundeskartellamt durchgesetzt werden darf.  

Sachverhalt:   

Die in Irland ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) betreibt in Europa das soziale Netzwerk Facebook, mit dem privaten Nutzern eine Kommunikationsplattform im Internet zur Verfügung gestellt wird. Weitere Tochtergesellschaften des Facebook-Konzerns bieten weitere Internetdienste wie insbesondere Instagram, WhatsApp, Masquerade und Oculus an.

Private Nutzer zahlen kein Entgelt für die Nutzung des sozialen Netzwerks. Ihre Teilnahme am Netzwerk setzt aber voraus, dass sie bei der Registrierung den Facebook-Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese sehen vor, dass Facebook jedem Nutzer ein personalisiertes Erlebnis bereitstellt. Dafür werden personenbezogene Daten des Nutzers verwendet, die Facebook aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste wie Instagram sowie aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von facebook.com zur Verfügung stehen. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine Datenrichtlinie Bezug, in der die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten näher erläutert wird.

Das Netzwerk wird durch Online-Werbung finanziert. Hierzu kann zum einen Werbung auf Facebook-Seiten platziert werden. Mit verschiedenen von Facebook bereitgestellten Programmierschnittstellen („Facebook Business Tools“) können Unternehmen zum anderen eigene Internetseiten oder Anwendungen für Mobilgeräte (Apps) in vielfältiger Form mit Facebook-Seiten verbinden. So können Facebook-Nutzer über Plugins ihr Interesse an diesen Seiten oder bestimmten Inhalten bekunden („Gefällt-mir-Button“ oder „Teilen-Button“) oder Kommentare abgeben und sich über ein „Facebook-Login“ auf Interseiten Dritter mit ihren bei Facebook registrierten Nutzerdaten einwählen. Über von Facebook angebotene Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert werden. Dabei wird nicht nur das Verhalten der privaten Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern über entsprechende Schnittstellen (Facebook Pixel) auch der Aufruf von Drittseiten, ohne dass der Nutzer hierfür aktiv werden muss. Über die analytischen und statistischen Funktionen von „Facebook Analytics“ erhalten Unternehmen aggregierte Daten darüber, wie Facebook-Nutzer über verschiedene Geräte, Plattformen und Internetseiten hinweg mit den von ihnen angebotenen Diensten interagieren.

bisheriger Verfahrensverlauf:   

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen einen Verstoß gegen das Verbot nach § 19 Abs. 1 GWB, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Facebook sei auf dem nationalen Markt der Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von facebook.com generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen. Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, entsprechende Nutzungsbedingungen zu verwenden und personenbezogene Daten entsprechend zu verarbeiten.  

Das OLG Düsseldorf hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook nach § 65 Abs. 3 GWB wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Eine solche Anordnung hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde entschieden ist.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:  

Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt.

Es bestehen weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutzt.  

Maßgeblich hierfür ist nicht die vom Kartellamt in der angefochtenen Verfügung in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Facebook-Nutzer, die aus deren Nutzung des Internets außerhalb von facebook.com und unabhängig von einem Facebook-Login entstehen, mit den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang steht.

Entscheidend ist vielmehr, dass Nutzungsbedingungen missbräuchlich sind, die den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen,

– ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer „Off-Facebook“-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder  

– ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben.

Das Missbrauchsurteil – das nach gefestigter Rechtsprechung sowohl die Feststellung nachteiliger Wirkungen auf den betroffenen Märkten voraussetzt als auch eine Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des GWB orientiert – beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:

Facebook ist als Betreiber eines sozialen Netzwerks auf zwei Märkten tätig. Es bietet zum einen privaten Nutzern die Plattform als Medium zur Darstellung der Person des Nutzers in ihren sozialen Beziehungen und zur Kommunikation an. Es ermöglicht zum anderen Unternehmen Werbung im Netzwerk und finanziert damit auch die Nutzerplattform, für deren Nutzung die Nutzer kein (monetäres) Entgelt zahlen. Indem Facebook seinen Nutzern personalisierte Erlebnisse und damit über die bloße Plattformfunktion hinaus Kommunikationsinhalte bereitzustellen verspricht, ergeben sich allerdings fließende Übergänge und Verschränkungen zwischen Leistungen gegenüber den Nutzern und der Refinanzierung der Plattformbereitstellung durch unterschiedliche Formen der Online-Werbung.

Als marktbeherrschender Netzwerkbetreiber trägt Facebook eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem Markt sozialer Netzwerke. Dabei ist auch die hohe Bedeutung zu berücksichtigen, die dem Zugriff auf Daten aus ökonomischer Perspektive zukommt.

Die fehlende Wahlmöglichkeit der Facebook-Nutzer beeinträchtigt nicht nur ihre persönliche Autonomie und die Wahrung ihres – auch durch die DSGVO geschützten – Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Vor dem Hintergrund der hohen Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen („Lock-in-Effekte“), stellt sie vielmehr auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben kann. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wünschen erhebliche Teile der privaten Facebook-Nutzer einen geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein wesentliches Entscheidungskriterium wäre.

Die so ausgestalteten Nutzungsbedingungen sind auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern. Zwar ist die Marktstellung von Facebook in erster Linie durch direkte Netzwerkeeffekte geprägt, da der Nutzen des Netzwerks für die privaten Nutzer wie für die werbetreibenden Unternehmen mit der Gesamtzahl der dem Netzwerk angeschlossenen Personen steigt. Die Marktposition von Facebook kann auch nur dann erfolgreich angegriffen werden, wenn es einem Konkurrenten gelingt, in überschaubarer Zeit eine für die Attraktivität des Netzes ausreichende Zahl von Nutzern zu gewinnen. Jedoch handelt es sich bei dem Zugang zu Daten nicht nur auf dem Werbemarkt um einen wesentlichen Wettbewerbsparameter, sondern auch auf dem Markt sozialer Netzwerke. Der Zugang von Facebook zu einer erheblich größeren Datenbasis verstärkt die ohnehin schon ausgeprägten „Lock-in-Effekte“ weiter. Außerdem verbessert diese größere Datenbasis die Möglichkeiten der Finanzierung des sozialen Netzwerks mit den Erlösen aus Werbeverträgen, die ebenfalls von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhängen. Wegen der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lässt sich schließlich auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedarf es insoweit keiner Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auch auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten Markt eintreten, sondern kann auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt eintreten.

Vorinstanz:   

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 26. August 2019 – VI-Kart 1/19 (V), WRP 2019, 1333

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:   

Relevante Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):  

§ 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen  

(1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.



§ 65 Anordnung der sofortigen Vollziehung  



(3) 1Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn  

1.die Voraussetzungen für die Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen oder

2.ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen oder

3.die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

2In den Fällen, in denen die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, kann die Kartellbehörde die Vollziehung aussetzen; die Aussetzung soll erfolgen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 vorliegen. 3Das Beschwerdegericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 oder 3 vorliegen.

KVR 69/19 – Beschluss vom 23. Juni 2020  
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs