BGH, Urteil vom 29.03.2018, Az.: I ZR 34/17.
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29.03.2018 über die Zulässigkeit bestimmter Bonusaktionen für die Smartphone-App „My Taxi“ entschieden.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen in Deutschland. Sie betreibt die Taxi-Bestell-App „Taxi Deutschland“. Die Beklagte vermittelt Taxi-Dienstleistungen über die Smartphone-App „My Taxi“.
Die Klägerin beanstandet vier Bonusaktionen der Beklagten, bei denen registrierte Nutzer lediglich die Hälfte des regulären Fahrpreises zu zahlen hatten. Die andere Hälfte des Fahrpreises erhielt der Taxifahrer abzüglich Vermittlungsgebühren der Beklagten.
Die Klägerin hält die Bonusaktionen für wettbewerbswidrig, weil sie gegen die Pflicht zur Einhaltung der behördlich festgesetzten Taxitarife verstießen. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichthofs:
Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen.
Die Bonusaktionen der Beklagten verstoßen nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer. Die Beklagte ist selbst kein Taxiunternehmer, für den die Festpreise gelten. Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf die Vermittlung von Fahraufträgen, die von unabhängigen Taxiunternehmen selbständig durchgeführt werden. Diese Taxiunternehmen können uneingeschränkt die Dienste anderer Vermittler, wie etwa der Klägerin, in Anspruch nehmen.
Die Beklagte haftet auch nicht als Anstifterin oder Gehilfin für Wettbewerbsverstöße der ihre Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmenden Taxifahrer. Die Beteiligung der Taxiunternehmer an den Bonusaktionen der Beklagten ist mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar. Die Bestimmungen der § 51 Abs. 5, § 39 Abs. 3 PBefG zur Tarifpflicht im Taxiverkehr sind zwar Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG. Der Taxiunternehmer darf keinen Nachlass auf die tariflichen Festpreise gewähren. Wird der Festpreis vollständig an ihn gezahlt, liegt jedoch kein Verstoß gegen die Tarifpflicht vor. Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Tarifpflicht kommt es also darauf an, ob das Vermögen des Taxiunternehmers nach Beförderung des Fahrgastesin Höhe des Festpreises vermehrt wird. Wie der Fahrgast das Entgelt finanziert, ist ohne Bedeutung. Bei den Aktionen der Beklagten erhalten die Taxiunternehmen den vollen tariflichen Festpreis. Soweit die Beklagte dabei eine Provision von 7 % des Fahrpreises abzieht, handelt es sich um eine zulässige Vergütung ihrer Vermittlungsdienstleistung.
Sinn und Zweck der Tarifpflicht des Taxiunternehmers gebieten kein anderes Ergebnis. Die Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs wird durch die beanstandeten Werbeaktionen der Beklagten nicht beeinträchtigt. Solange den Taxiunternehmen ausreichende Vermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, besteht kein Grund, den Wettbewerb im Bereich der Taxivermittlung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs einzuschränken.
Auch eine unzulässige gezielte Behinderung der Klägerin durch die Beklagte (§ 4 Nr. 4 UWG) liegt nicht vor. Die nicht kostendeckende Erbringung einer Dienstleistung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten, und zwar insbesondere dann, wenn sie zur Verdrängung von Mitbewerbern geeignet ist und in Verdrängungsabsicht erfolgt. Hier fehlt jedoch eine Eignung zur Verdrängung, weil die Aktionen der Beklagten sowohl räumlich auf mehrere deutsche Großstädte, als auch zeitlich beschränkt waren.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.01.2016 – 3-06 O 72/15,
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.02.2017 – 6 U 29/16.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
- 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
- 39 PBefG
(1)
Beförderungsentgelte und deren Änderung bedürfen der Zustimmung der Genehmigungsbehörde. Mit der Zustimmung sind die Beförderungsentgelte allgemein verbindlich. …
(2)
…
(3)
Die nach Absatz 1 festgestellten Beförderungsentgelte dürfen nicht über- oder unterschritten werden; sie sind gleichmäßig anzuwenden. Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugute kommen, sind verboten und nichtig.
- 51 Beförderungsentgelte und –bedingungen im Taxenverkehr
(1)
Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Beförderungsentgelte und –bedingungen für den Taxenverkehr festzusetzen. …
Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung übertragen.
…
(5)
Für die Anwendung des Beförderungsentgelte und –bedingungen gilt § 39 Abs. 3 entsprechend.
- 4 Nr. 4 UWG
Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2018.
Das Oberlandesgericht Hamm hat dem Ärztebewertungsportal „JAMEDA“ die weitere Veröffentlichung einer falschen Tatsachenbehauptung verboten. Über eine mit dem „Gold-Profil“ registrierte Zahnärztin gab es folgende anonyme Bewertung zu lesen:
„Nicht vertrauenswürdig!
Die Kommunikation von Frau … ist problematisch. Sie verzichtet auf die einfachen Kom.-Grundregeln und eine Aufklärung/Beratung. Die Prothetik-Lösungen von Frau … waren zum Teil falsch…. Ich habe die Zahnärztin als eine herrische, sehr emotional auf Kritik reagierende Persönlichkeit kennengelernt.“
Es folgten folgende Negativnoten:
Behandlung: 5,0
Aufklärung: 5,0
Vertrauensverhältnis: 6,0.
Das Landgericht Essen verbot der Portalbetreiberin erstinstanzlich, weiterhin zu verbreiten, die Zahnärztin habe auf eine Aufklärung/Beratung verzichtet und ihre Prothetik-Lösungen seien zum Teil falsch.
Das Oberlandesgericht änderte die Entscheidung teilweise ab. Zwar habe die Zahnärztin hinsichtlich der Durchführung der Aufklärung der Patientin im Eilverfahren ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie die gebotene Aufklärung beziehungsweise Beratung geleistet habe. Deshalb dürfe das Portal diese unwahre Tatsachenbehauptung nicht weiter veröffentlichen.
Ob die Prothetik-Lösungen zum Teil falsch waren, ließ sich im Eilverfahren jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Deshalb wurde dieser Teil der Verbotsverfügung des Landgerichts wieder aufgehoben.
OLG Hamm, Urteil vom 13.03.2018, 26 U 4/18.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die umstrittene Wortmarke “ Black Friday “ eines Unternehmens aus Hongkong wegen fehlender Unterscheidungskraft gelöscht. Mehrere Hersteller und Händler, die teilweise schon wegen angeblicher Markenverletzung abgemahnt worden waren, waren gegen die Eintragung vorgegangen.
Wer sich gegen Spam zur Wehr setzt, kann damit sogar Geld verdienen.
Der Telekommunikations- und Internetanbieter O2 wurde wegen unerwünschter Werbemails abgemahnt und unterschrieb eine Unterlassungserklärung, wonach er im Fall einer erneuten unerwünschten Werbemail eine Vertragsstrafe zahlen musste.
So geschah es: Im E-Mail-Postfach landeten erneute unerwünschte Werbebriefe. Trotz erneuter Abmahnung und erhöhter Vertragsstrafe kam es immer wieder zu Spam. Dafür musste O2 inzwischen über EUR 4.000,00 Strafe zahlen.
Auch das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg sieht in der Verbreitung des Werbeblockers „Adblock Plus“ keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Eine Klage der betroffenen Verlage wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.
OLG-Hamburg, Urteil vom 22.03.2018, 5 U 152/15
Demgegenüber hatte das Oberlandesgericht Köln dem klagenden Axel-Springer-Verlag teilweise Recht gegeben. Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt, die Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof findet am 19.04.2018 statt
(Az: I ZR 154/16).
Das Oberlandesgericht Köln sah zumindest das bezahlte „Whitelisting“ durch die Firma Eyeo als wettbewerbswidrig an.
Das Oberlandesgericht Hamburg sieht hierin demgegenüber ebenso wenig, wie das Oberlandesgericht München, eine gezielte Mitbewerberbehinderung. Das OLG-München hatte bereits eine Klage der Süddeutschen Zeitung abgewiesen. Das Online-Portal Spiegel.de hatte bereits im November 2016 vor dem Landgericht Hamburg verloren.
Eine unbestellte Funktionalitätserweiterung eines WLAN-Routers stellt eine unzulässige Belästigung entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar, wenn diese gegen den geäußerten und erkennbaren Widerspruch des Kunden vorgenommen wird. Will der Anbieter eine unbestellte Dienstleistung liefern, muss er den Kunden vor der Aufschaltung des neuen Signals über sein Widerspruchsrecht informieren.
OLG-Köln, Urteil vom 02.02.2018, 6 U 85/17
Die Werbung mit falschen und überhöhten unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) stellt eine irreführende Preiswerbung dar.
Ein Unternehmen hatte in seinem Online-Shop für Büro-,Handy- und Computerzubehör und auf seiner Internetseite einen „Duracell Flutlicht und Handscheinwerfer“ zum Preis von EUR 3,99 beworben, und ihm eine UVP in Höhe von
EUR 60,00 gegenübergestellt, obwohl der Hersteller nur eine UVP von EUR 14,99 angegeben hatte.
Im zweiten Fall bewarb ein Onlinehändler ein Hygieneprodukt für EUR 57,99 unter Herausstellung einer Preisersparnis von 36%, obwohl der tatsächliche UVP wesentlich niedriger war.
LG-Bielefeld, Urteil vom 19.07.2016, 12 O 47/16
LG-Bielefeld, Urteil vom 19.07.2016, 12 O 44/16, BeckRS 2016, 123621
Ein Hotel warb mit vier Sonnensymbolen, die bei flüchtiger Betrachtung auch für Sterne gehalten werden konnten und jeweils waagerecht in einer Reihe über dem Schriftzug des Hotels angeordnet waren. Dort finden sich sonst oft die Sternebewertungen von Hotels.
Das Hotel war vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA)
nicht zertifiziert und war wegen des Vier-Sonnensymbols abgemahnt worden.
Auch nach Auffassung des Gerichts ist die Verwendung derartiger Sonnensymbole, die mit Hotelsternen leicht verwechselt werden können, unzulässig. Die Platzierung und Art der Darstellung könne beim Verbraucher leicht den irreführenden Eindruck erwecken, es handele sich um ein „Vier-Sterne-Hotel“.
LG-Dessau-Roßlau, Urteil vom 24.11.2017, 3 O 32/17
Die Wortmarke „Männerspielplatz“ ist rein beschreibend und nicht eintragungsfähig. Ihr fehlt für Waren der Klasse 25, wie Bekleidung, Kopfbedeckungen und Schuhwaren, sowie für Dienstleistungen der Klassen 39 und 41, wie Reisen und Freizeitveranstaltungen, jegliche Unterscheidungskraft.
Die Benutzung der Begriffe „Spielzeug“ und „Spielplatz“ für Männer ist im Deutschen üblich, es gibt viele Beispiele für Orte, an denen Männer als Erlebnisvergnügen ihrer Lust zu spielen und im Freien mit schweren Fahrzeugen Erholung, Unterhaltung und Zerstreuung zu finden, nachgehen können. Bekannt sind Bagger- und Panzerpartien.
Dass Männer auf einem Spielplatz ähnlich wie Kinder spielen können, erschließt sich daher aus dem Begriff „Männerspielplatz“ unmittelbar. Die Nichtigkeitsentscheidung des Europäischen Amtes für geistiges Eigentum (EUIPO) wurde daher durch das Europäische Gericht bestätigt.
EuG, Urteil vom 11.05.2017, T-372/16.
Die lediglich geringfügig grafisch gestaltete Wortfolge
ist nicht hinreichend originell und unterscheidungskräftig. Es handelt sich um zwei englischsprachige, grammatikalisch korrekte Worte, die für die beanspruchten Dienstleistungen „Plattform zum Kennenlernen anderer Personen“ glatt beschreibend sind. Es handelt sich um eine reine Werbebotschaft, und nicht um einen Herkunftshinweis. Auch die einfachen grafischen Merkmale, wie die gewählte Schriftart und die blaue Farbe, sind nicht herkunftshinweisend.
EuG, T-190/15 – Intervog/HABM (meet me)